Erste Präsentation in Dresden 10.02.2017 – 14.02.2017

[:de]

[huge_it_video_player id=“2″]

Es geht auch anders in Dresden

Es ist nichts passiert. Wenn das betont werden muss, weil das Gegenteil befürchtet worden war, hat die Stadt ein Problem. Und Dresden hat ein Problem, nicht nur an Montagen, wenn sich Pegida bevorzugt auf dem Theaterplatz trifft und bevorzugt gegen Flüchtlinge hetzt und alles, was anders ist. Und nun ausgerechnet auf dem Theaterplatz und noch dazu zum 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt, einen Friedhof für die Opfer der Flüchtlingstragödie imaginieren. Kann das gut gehen? Das fragte mancher vorher. Und hinterher gab es mehr als  nur Erleichterung.

Denn mindestens 20 000 Besucher an vier Tagen bewiesen vor allem eines: Dass Dresden nur Emphatie empfindet ausschließlich für die eigenen Kriegsopfer  mag für eine kleine, laute Minderheit zutreffen. Aber nur für die. Die anderen, die vielen gingen still über den Platz, nahmen sich Zeit, die Fotos anzusehen, die Texte zu lesen. Und sie verhielten sich, als seien sie tatsächlich auf einem Friedhof. Man sprach leise miteinander, manche weinten angesichts von Kinderfotos auf Gräbern. Sie zündeten Kerzen an den Grabmatten an, brachten Blumen mit, einige schrieben Briefe, die sie auf dem „Friedhof“ zurückließen (siehe rechts).  Fremde sprachen miteinander über das, was fast schon zum täglichen Nachrichtenritual gehört und deshalb immer weniger beachtet wird.  Nahezu die ganze Zeit der Installation war der Platz voller Menschen und die Grabmatten am Ende voller Kerzen.

Und jene, die sonst vor wenig Halt machen, mussten einsehen:  Gegen Fotos von Gräbern kann man nicht anbrüllen, selbst sie nicht.

Auszüge aus dem Brief eines Besuchers, den er auf dem „Friedhof“ hinterlegt hatte:  

„Ich habe mir gerade alle Schriftstücke durchgelesen und alle Bilder angeguckt und nun  angefangen zu weinen. Das, was hier gezeigt wird, ist mit die größte Katastrophe der heutigen Zeit und verdeutlicht den Ernst, der in den Nachrichten nur flüchtig rüberkommt.  Ich frage mich, in was für einer Welt wir leben, in der so etwas möglich ist.  Ich hoffe einfach, dass die Weltpolitik und die Wirtschaft das Ganze beenden und die Quelle dieser Leiden bekämpfen.

Betet zu Gott, würden die Gläubigen sagen, aber ich sage, glaubt an die Menschheit und denkt als Spezies und nicht nur als Individuum . BITTE.“

Foto: Oliver Killig

[:en]

Es geht auch anders in Dresden

Es ist nichts passiert. Wenn das betont werden muss, weil das Gegenteil befürchtet worden war, hat die Stadt ein Problem. Und Dresden hat ein Problem, nicht nur an Montagen, wenn sich Pegida bevorzugt auf dem Theaterplatz trifft und bevorzugt gegen Flüchtlinge hetzt und alles, was anders ist. Und nun ausgerechnet auf dem Theaterplatz und noch dazu zum 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt, einen Friedhof für die Opfer der Flüchtlingstragödie imaginieren. Kann das gut gehen? Das fragte mancher vorher. Und hinterher gab es mehr als  nur Erleichterung.

Denn mindestens 20 000 Besucher an vier Tagen bewiesen vor allem eines: Dass Dresden nur Emphatie empfindet ausschließlich für die eigenen Kriegsopfer  mag für eine kleine, laute Minderheit zutreffen. Aber nur für die. Die anderen, die vielen gingen still über den Platz, nahmen sich Zeit, die Fotos anzusehen, die Texte zu lesen. Und sie verhielten sich, als seien sie tatsächlich auf einem Friedhof. Man sprach leise miteinander, manche weinten angesichts von Kinderfotos auf Gräbern. Sie zündeten Kerzen an den Grabmatten an, brachten Blumen mit, einige schrieben Briefe, die sie auf dem „Friedhof“ zurückließen (siehe rechts).  Fremde sprachen miteinander über das, was fast schon zum täglichen Nachrichtenritual gehört und deshalb immer weniger beachtet wird.  Nahezu die ganze Zeit der Installation war der Platz voller Menschen und die Grabmatten am Ende voller Kerzen.

Und jene, die sonst vor wenig Halt machen, mussten einsehen:  Gegen Fotos von Gräbern kann man nicht anbrüllen, selbst sie nicht.

Auszüge aus dem Brief eines Besuchers, den er auf dem „Friedhof“ hinterlegt hatte:  

„Ich habe mir gerade alle Schriftstücke durchgelesen und alle Bilder angeguckt und nun  angefangen zu weinen. Das, was hier gezeigt wird, ist mit die größte Katastrophe der heutigen Zeit und verdeutlicht den Ernst, der in den Nachrichten nur flüchtig rüberkommt.  Ich frage mich, in was für einer Welt wir leben, in der so etwas möglich ist.  Ich hoffe einfach, dass die Weltpolitik und die Wirtschaft das Ganze beenden und die Quelle dieser Leiden bekämpfen.

Betet zu Gott, würden die Gläubigen sagen, aber ich sage, glaubt an die Menschheit und denkt als Spezies und nicht nur als Individuum . BITTE.“

Foto: Oliver Killig

[:]